Kadertraining Solothurn: Intensität, Taktik, individuelle Verbesserungen

Marco Chiudinelli (ex ATP 52) leitet das Kadertraining für Junioren aus dem Kanton Solothurn, jeweils am Mittwoch und Donnerstag in Trimbach. Seine Firma „Chiudinelli Management & Consulting“, mit Sitz in Rheinfelden, bietet Projektbegleitungen, Referate, eine Golf-Meisterschaft für Firmen und Tennis-Camps für Hobbyspieler. Wir haben ihn befragt zu den Trainings-Schwerpunkten, Fortschritten der Kaderspieler und seinen weiteren Projekten.

Marco, nach der Profikarriere die Selbständigkeit: Welche Projekte verfolgst Du?

Im Bereich Tennis in erster Linie meine Camps – Tennisferien aller Alterskategorien und sämtlicher Spielniveaus. An speziellen Orten, auf coolen Plätzen. Wir haben Camps in Zermatt, Spanien, Biel, auf dem Rasen von Halle, Ascona und im Allgäu. Das aktuelle Programm steht auf meiner Webseite: www.chiudinelli.ch

Du bist auch als Referent unterwegs. Zu welchen Aspekten?

Das sind oft Themen, welche das Sport- und Businessleben kombinieren. Zum Beispiel, wie man sich auf ein Ziel fokussiert, oder wie man mit Rückschlägen umgeht und diese in positive Energie umwandeln kann. 

An zwei Abenden pro Woche bist Du jeweils in Trimbach und leitest hier das Kadertraining. 

Zu Beginn der Wintersaison 2019 / 2020 dachte ich, dass ich dies versuchen möchte. Und bereits nach kurzer Zeit war mir klar: Die Arbeit mit den Junioren gefällt mir sehr.

Was reizt Dich besonders?

Nun, ich arbeite immer gerne mit motivierten Leuten, besonders mit motivierten Kids. Ich möchte ihnen zeigen: So trainieren Profis. Was gilt in der Matchvorbereitung besonders? Die Junioren auf Punkte hinweisen, die sie vorher vielleicht noch nicht kannten. Das Kadertraining gibt mir die Möglichkeit, kontinuierlich zu gestalten. Über mehrere Monate an der Philosophie dranbleiben und eine Entwicklung sehen. Das erfüllt mich.

Selbst jahrelang auf der Profitour – jetzt Coach für verschiedene Spielniveaus: Musst Du Dich da überwinden?

Nein, ich finde es spannend, mit verschiedenen Niveaus zu arbeiten. Das fordert auch mich. Wie früher als Profi, verfolge ich nun im Coaching dasselbe Ziel: Im Training stets das Maximum herausholen.

Dennoch: Der Unterschied in der Spielstärke könnte teilweise grösser kaum sein. Nervt das nicht?

Nein. Ich sehe das pragmatisch. Gewisse Übungen passen wir etwas an. Ich freue mich immer, wenn ich jemandem etwas zeigen und er dies umsetzen kann.

Welchen Unterschied im Training stellst Du hauptsächlich fest, zwischen Hobby- und Profispielern?

Die meisten Übungen sind weniger komplex. Man studiert nicht unbedingt ganze Spielzüge ein – wobei mittlerweile gehen wir in diese Richtung. Die Intensität im Training ist weniger hoch. Oft zu viel Schonhaltung, zu wenig Härte mit sich selbst. Das macht sich dann im Spiel bemerkbar, wenn es darum geht, sich in einem Punkt zurück zu kämpfen: Da zeigt sich eben, wer dranbleibt, wer mit Druck umgehen kann. Ich möchte, dass meine Schüler einen Punkt nicht einfach aufgeben oder „abschenken“.

Reine Trainingssache?

Ja. Wir üben das. Von Anfang an. Und langsam kommen wir dahin.

Du traust das Jedem zu?

Grundsätzlich schon. Es muss trainiert sein. Und das ist streng, harte Arbeit – oft mühsam. Am Schluss sind es dann diese eingeübten Punkte, die das Tennisspiel leichter machen.

Du legst grossen Wert auf hohe Trainingsintensität.

Ja. Die Jungen haben sich innert kurzer Zeit merklich verbessert. Das macht Freude.

Wo setzt Du besondere Akzente im Kadertraining?

Wie gesagt, die Intensität – damit fängt alles an. Dann möchte ich den Spielern beibringen: Bestimmte Spielzüge sind logisch. Es sollte kein Zufall sein, dass man in gewissen Situationen diesen oder jenen Ball spielt.

Da sind wir schon fast auf Profistufe.

Nein, auch die Jungen sollen das lernen. Tennis ist auch Mathematik: Gewinnst Du in einem Match 51 Prozent der Punkte, dann gehst Du in der Regel als Sieger vom Platz. Also solltest Du im Spiel stets jene Wahl treffen, die prozentual am erfolgversprechendsten ist.

Wieviel Geduld hast Du mit den Jungen?

Genug. (lacht)

Manchmal lässt Du Übungen solange wiederholen, bis es Deinen Vorstellungen entspricht. Selbst wenn dadurch fast die ganze Trainingseinheit drauf geht. Hat sich da noch keiner beklagt?

Beklagt hat sich bisher noch keiner meiner Schützlinge, aber klar sehe ich in solchen Momenten, dass der eine oder andere vielleicht lieber ein Spiel mit Punkten spielen würde. Wenn ich aber sehe, dass eine Übung nicht am Spielniveau meiner Spielerinnen und Spieler scheitert, sondern am Fokus auf die entscheidenden Dinge, dann lege ich Wert darauf, dass wir diese so lange wiederholen, bis sie klappt. Sich konzentrieren können, das ist mir wichtig.

Einmal hast Du eine neue Übung gebracht, mit Smash, Vorhand, Rückhand – erst nach 60 Minuten funktionierte sie. Warum hast Du nicht früher abgebrochen?

Weil ich wusste, dass die korrekte Ausführung nicht an den Schlägen, sondern lediglich an der Konzentrationsausdauer scheiterte. Auch diese gehört im Tennis mit dazu und muss entsprechend trainiert werden. Insofern erlebte ich diese eine Stunde als sehr positiv, weil ich meinen Schülerinnen und Schülern aufzeigen konnte, in welchem Bereich sie eigentlich relativ einfach Verbesserungen erzielen können. In der Folgewoche wiederholten wir das Ganze und es klappte tiptop.

Vor einem Jahr erlangtest Du das Schweizer B-Diplom als Tennistrainer. Wieviel Theorie fliesst nun in Deine Einheiten?

Schwierig zu beziffern – ich habe ja die ganzen Ausbildungsmodule gemacht, selbst die Kidsstufe, wo wir mit imaginären Tieren und Spielzeugen die Materie Tennis und Bewegungslehre im Allgemeinen erklären mussten. Für mich bedeutend ist, ein eigenes Programm zu bringen. Für jedes Training ein gezielter Aufbau, mit Schwerpunkten, die mir wichtig sind und die mir in der Karriere auch etwas brachten – das möchte ich den Kids weitergeben: Spielzüge, Sicherheit, offensives Spiel, Positionierung auf dem Platz, Taktik und Spielintelligenz.

In den ersten Trainings warst Du mit den Jugendlichen oft am Netz. Haben die Kaderschüler da ein Manko?

Ja, ich denke schon. Teilweise trauten sie sich gar nicht ans Netz. Wir sind zwar noch immer nicht da, wo ich mit den Schülern des Kadertrainings gerne hinwill, aber es ist bereits viel besser geworden und ich kann bei einigen meiner Spieler mittlerweile sehr gut getimte und ausgeführte Netzangriffe erkennen. Einige haben auch in den Matches das Gelernte umsetzen können, was mich sehr freut. Aber am Netz ist noch immer sehr viel Potential vorhanden. Dies trifft aber selbst auf viele Profispieler zu, insofern ist das völlig OK.

Siehst Du denn bei all Deinen aktuell 11 Schützlingen Fortschritte, oder gibt es individuelle Unterschiede?

Verbesserungen kann ich bei all meinen Schülern erkennen, aber gewiss, bei einigen geht es schneller, andere haben etwas länger. Mittlerweile erinnern sie sich an das, was wir üben. Und das hilft ihnen in den Matches. Sie wachsen. Und kombinieren ihr Spiel mit besseren Spielzügen, intelligenteren Spielzügen. Manchmal erinnern sie sich auch erst nach Ende eines Punkts an die eingeübte Taktik und erkennen, was sie hätten besser machen können. Dies ist aber bereits ein wichtiger Schritt auf dem Weg, diese Verbesserungen zu automatisieren. Wir gehen Step by Step. Bei den Profis ist das auch so. Es klappt nicht immer alles. Und nicht immer auf Anhieb.

Die Kaderschüler erkennen den Aufbau?

Ja. Kürzlich hat mir einer der Papas gesagt: Sein Sohn hätte im Interclub taktisch klug gespielt. So, wie wir es im Kadertraining üben. (lacht)

Du gibst den Spielern auch individuelle Tipps?

Ja klar. Ich sehe schnell, wenn etwas nicht passt. Trotzdem möchte ich hier nicht allzu viel an der Technik feilen. Die Spieler haben einen Haupttrainer, mit welchem ich mich austausche, wenn gewünscht. Überhaupt schätze ich den Austausch mit anderen Coaches. Da achte ich auch in meinen Camps stets darauf.

Wie gehst Du in Deinen Camps vor?

Wir sitzen täglich mit dem Trainerteam zusammen, besprechen die Einheiten. Dann gehen wir gezielt auf unsere Schüler und deren Problemstellungen ein. Durch den Austausch profitieren wir voneinander. Vielleicht hat einer einen neuen Ansatz, bezüglich einer aktuellen Herausforderung. So wächst das Ganze und die Schüler können vom geteilten Wissen der Coaches profitieren. Es funktioniert nämlich nicht bei jedem Spieler dasselbe Werkzeug.

Was hast Du in Deiner Jugend auf dem Tennisplatz besonders trainiert?

Für mich war der Mix entscheidend: Training – und selbst spielen. Zuerst im Training etwas Neues anschauen, eine neue Übung des Coaches. Und dann selbständig anwenden und ausprobieren. Diesen Mix zu entdecken – ich finde das nach wie vor essenziell.

Wieso?

Im Tennis ist nicht alles planbar. Als Tennisspieler bist Du auf dem Platz darauf angewiesen, selbst die richtigen Entscheidungen zu fällen. Weder die Eltern noch der Coach können Dir diese abnehmen. Je selbständiger und entscheidungsfreudiger die Junioren bereits sind, desto besser. Hier, sowie beim Entwickeln eines guten Gespürs für verschiedene Spielsituationen, versuche ich, in meinen Junioren-Trainings kontinuierlich anzusetzen.

Was fällt Dir sonst noch auf? Woran sollen die Kaderjunioren arbeiten?

An der Kondition und an der Beinarbeit. Da gibt es noch sehr viele Baustellen.

Konkret?

Wenn Du als Tennisspieler bestehen willst, muss Du Dir die Beinarbeit immer wieder holen. Auch auf höchstem Niveau. Das ist selbst bei den Profis so: die Beinarbeit muss ständig, während der gesamten Karriere, trainiert werden. Hier ist bei der Mehrheit der Schüler, die ich nun gesehen habe, noch viel Potential vorhanden. Als Motivation soll einem Spieler die Regel helfen, dass mit dem Arm nichts bis wenig ausgerichtet werden kann, wenn die Beine nicht stimmen.

Was hast Du während Deiner Zeit als Profi immer wieder trainiert?

Die Antwort ist simpel: Alles, sowohl bei den Schlägen als auch im konditionellen Bereich. Dies galt sowohl für die Stärken als auch für die Schwächen. Auf was genau ich in welcher Trainingsperiode vermehrt den Fokus legte, entschied ich gemeinsam mit meinem Tennis- und meinem Konditionstrainer.

Was waren Schwerpunkte, wenn Du Dich auf wichtige Matches vorbereitetest?

Eine gute Fitness und eine genaue und explosive Beinarbeit. Diese gaben mir Selbstvertrauen für die Schläge.

Welche Art von Training sagte Dir besonders zu?

Ich habe auf dem Tennisplatz gerne alle Arten von Übungen gemacht, bei denen auf Punkte gespielt oder Treffer gezählt wurden. Zudem mochte ich auch Übungsformen, bei denen ich physisch an meine Grenzen gehen musste und bei welchen ich wusste, dass sie mir bei zukünftigen harten Matches helfen, auch unter Ermüdung mein Level halten zu können.

Und wo musstest Du Dich besonders überwinden?

Bei monotonen Ausdauertrainings mit gleichem Tempo über 45 Minuten. Oder bei Präventions-Übungen für den Rücken- und Bauchbereich – diese gehörten nicht zu meinen Favoriten.

Wie wurdest Du für das harte Training entschädigt?

Das Wissen, topfit und bereit für harte Matches zu sein, war bereits Entschädigung genug und zudem Basis, um mit Selbstvertrauen in ein Turnier starten zu können. Sollte es dann tatsächlich – beispielsweise bei einem Grand Slam – zu einem physischem Abnützungskampf gekommen sein, den ich gewinnen konnte, dann war das natürlich noch umso schöner.

An welche Momente Deiner Karriere erinnerst Du Dich besonders gerne?

In meinen 18 Jahren auf der Profitour gibt es unzählige Momente, an die ich gerne zurückdenke. Das sind vor allem spezielle Matches, die ich spielen durfte. Aber auch Erlebnisse ausserhalb des Platzes.

Kannst Du einen solch speziellen Moment als Profi erläutern?

Da fällt mir spontan mein Sieg gegen Mikhail Youzhny in der zweiten Runde der US Open 2009 ein, als wir Ende des vierten Satzes bei brutalen Bedingungen beide ziemlich am Ende waren, er aber noch etwas mehr als ich. Dies war das einzige Mal in meiner Karriere, als ich danach in der Garderobe vor Glück weinen musste.

Was ist Lustigste, was Dir auf der Tour passierte?

Auch hier sticht nichts heraus, weil es hunderte, wenn nicht tausende solcher Momente gab. Auf der Tour sind die Spieler zwar Gegner, vor allem aber auch Partner. Mit einer Vielzahl meiner Gegner habe ich öfter trainiert, als gegen sie Matches gespielt. Wir waren also vor allem auch Kollegen und haben gemeinsam viel gelacht in all den Jahren.

Um Profi auf der Tour zu sein, muss einiges stimmen. Vor allem braucht es eine jahrelange, intensive Vorbereitungszeit. Empfiehlst Du den Jungen, diesen Weg zu gehen?

Wenn der Wille dazu vom Junior oder der Juniorin ausgeht und das Potential vorhanden ist, dann sehe ich keinen Grund, den Schritt zum Tennisprofi nicht zu wagen. Ich empfehle aber, sich vorgängig intensiv mit den Chancen und Risiken einer Tenniskarriere zu beschäftigen und dazu einen Spezialisten mit Profi-Erfahrung hinzuzuziehen, falls im engeren Umfeld des Juniors keine solche vorhanden ist.

Bezüglich Tennisprofis: Am ATP 500 Turnier Swiss Indoors Basel bietest Du auch VIP-Packages an. Wie erwirbt man so eines?

Mit meinem Angebot bei den Swiss Indoors kombiniere ich VIP Sitzplätze mit der Möglichkeit, selbst einmal neben den Profis auf den offiziellen ATP Trainingsplätzen zum Schläger zu greifen, oder einen Blick hinter die Kulissen eines Weltklasse-Turniers wie die Swiss Indoors zu werfen. Das Angebot kann auf meiner Webseite www.chiudinelli.ch eingesehen werden.

Infos und Anmeldung zum Kadertraining Solothurn, geleitet von Marco Chiudinelli: [email protected]